Autor: Andreas Eschbach
Sprecher: Matthias Koeberlin
Minuten: 986 Minuten (16 h 26 min)
Verlag: Lübbe Audio
Genre: Thriller
Hinweis: Aufgrund eines Fallbeispiels ist meine Rezension
etwas lang geraten
Inhalt:
Ein älterer Mann wird von Jugendlichen brutal
zusammengeschlagen. Unwahrscheinlich, dass er diesen Überfall überlebt hätte,
wenn nicht… ja, wenn nicht ein weißer Engel gekommen wäre und die Täter
erschossen hätte. Diese Tat tritt einen Prozess in Gang, der sich schnell
verselbstständigt. Der Mann wird zunächst von der Polizei verdächtigt die
Schläger selbst erschossen zu haben. Die Journalisten überschlagen sich mit
Theorien und Vermutungen, wer oder was dieser Engel sein könnte. Die Bürger
spalten sich in zwei Lager. Einerseits diejenigen, die die
Verteidigungsmaßnahme des Engels für richtig halten und dann diejenigen, die
sie für unverhältnismäßig halten und das Problem eher in der Kindheit der Täter
suchen. Die Lage spitzt sich zu, als in der TV-Serie „Anwalt der Opfer“
Menschen zu Wort kommen, die in vermeintlicher Notwehr andere Menschen
verletzten oder töteten und dafür vor Gericht gestellt wurden.
Meine Meinung:
Ich hatte das Buch lange auf der Wunschliste, weil ich das
Thema sehr spannend finde und viel Gutes über das Buch gehört habe. Spontan
habe ich mir das Hörbuch ausgeliehen, obwohl ich von Anfang an Bedenken wegen
der – für mich – langen Dauer von mehr als 16 Stunden hatte.
Tatsächlich ist die Dauer auch das, was mir am Hörbuch
leider nicht gefallen hat. Ich fand es extrem lang und hatte hier und da den
Eindruck, dass dies geeignete Stellen zum Kürzen gewesen wären. Die Handlung
zieht sich an einigen Stellen sehr, aber ich kann natürlich nicht beurteilen,
ob ich die Längen auch im Buch als solche empfunden hätte.
Die Geschichte an sich gefällt mir allerdings sehr gut. Man
verfolgt verschiedene Personen wie zum Beispiel den Kommissar, der mit dem Fall
des „Todesengels“ betraut ist, dem Journalisten Ingo Praise, der eine besondere
Rolle einnimmt oder anderen Personen, deren Rollen zunächst noch nicht klar sind.
Einige Perspektiven sind dabei interessanter als andere, aber sie sind alle
relevant, denn irgendwann setzt sich aus all diesen Teilen ein fertiges Bild
zusammen. Auch bei den Charakteren habe ich schnell Lieblinge gehabt und
andere, die ich nicht so gern mochte. Vor allem mochte ich nicht, wie
Randfiguren beschrieben wurden. Viel zu oft hieß es „der dicke XY“ oder eine
Person „hässlich wie die Nacht“. Leider kamen diese Aussagen von verschiedenen
Personen, sodass man das nicht als Charakterzug abtun kann.
Besonders ist für mich vor allem die Tatsache, dass man
permanent gedrängt wird, sich zu positionieren. Stimmt man den Aussagen der
Protagonisten bezüglich Selbstjustiz, Waffengewalt usw. zu, oder ist man
gegenteiliger Meinung? Kann man sich überhaupt eine fundierte Meinung bilden,
wenn man noch nie in so einer Situation war? Ich gebe euch ein Beispiel, das
aus dem Buch stammt, aber in Details abweichen kann, da ich mich nicht mehr an
alles erinnere:
Stellt euch vor, ihr seid mit einem Freund oder einer Freundin unterwegs. In einem Park werdet ihr plötzlich von Fremden angepöbelt. Sie sind in der Überzahl und eure Begleitung macht nicht den Eindruck, als könnte sie einem Angriff etwas entgegensetzen. Was nun? Weglaufen bringt nichts und selbst wenn ihr mit dem Handy Hilfe rufen könntet, käme sie zu spät. Aber ihr habt eine Geflügelschere in der Tasche, weil euch noch eine fehlte und ihr zuvor an einem Haushaltswarenladen vorbeigegangen seid. Die Fremden greifen euch an und ihr zieht die Geflügelschere hervor und stecht zu. Ihr erwischt den Hals eines Angreifers, verfehlt die Halsschlagader nur knapp. Ihr kommt für 3 Jahre ins Gefängnis und zahlt Schmerzensgeld. Ist das richtig? Ihr hättet ja zunächst mit der Geflügelschere drohen können. Und die Angreifer waren unbewaffnet. Hättet ihr vielleicht etwas anders machen können? Oder ist die Gefängnisstrafe falsch? Ihr habt euch ja nur gewehrt, gegen die Angreifer und die Geflügelschere war eben das, was gerade da war. Und woher hättet ihr wissen sollen, wie scharf die Schere ist, oder wie schwer ihr jemanden damit verletzen könntet?
Es gibt viele solcher Geschichten, viele Aussagen, die einen
dazu bringen nachzudenken. Wenn ich entscheiden könnte, wer wäre hier Opfer und
wer Täter? Wenn ich in dieser Situation gewesen wäre, was hätte ich getan? Es
ist definitiv ein Buch, mit dem man sich beschäftigt.
Die Auflösung des ganzen Spektakels ist dann einerseits sehr
tragisch und andererseits ein bisschen schwach. Naja und wieder etwas
langatmig. Etwa drei Stunden vor Ende ist bereits sonnenklar wer oder was
hinter dem Todesengel steckt. Es ist kein richtiger Thriller und daher ist
sicherlich nicht das primäre Ziel die Ermittlungsarbeit zu beschreiben und an
dessen Ende den Täter dingfest zu machen. Aber dennoch war mir der Rest dann
einfach zu lang, denn die Auflösung ist wie gesagt nicht wahnsinnig
überraschend.
Fazit:
Ob ich das Hörbuch empfehlen würde, weiß ich nicht. Mir
persönlich war es zu lang, aber ich weiß nicht, ob ich das Buch besser finden
würde. Da ich das Thema aber grundsätzlich sehr gut finde und es den Leser
fordert und zum Nachdenken bringt, möchte ich die Geschichte auf jeden Fall
empfehlen. Sucht euch das Medium, das euch am besten gefällt.
Hallo Julia :)
AntwortenLöschenIch habe das Hörbuch auch vor einigen Jahren gehört und es ist mir noch gut in Erinnerung. Mir ging es ähnlich wie dir und bei einer Bewertung käme ich wohl auf ein ähnliches Ergebnis. Den Sprecher schätze ich ja persönlich sehr, ich finde er intoniert die Figuren sehr unterschiedlich und lebendig. Mir war die Betonung, dass die Justiz unfähig ist ein wenig zu provokativ bzw. übertrieben. Klar, möchte der Autor seine Geschichte dadurch ausreizen und einen "Racheengel" rechtfertigen, aber mir war das zuviel des Guten. Grundsätzlich aber ein interessantes Thema, keine Frage.
Dann auf ein weiteres Hörbuch :)
Ich kannte den Sprecher nicht (da fällt mir auf, dass ich gar nichts zum Sprecher gesagt habe, macht Sinn bei einem Hörbuch. Na ja die Rezension ist eh lang genug), aber er hat mir auch gut gefallen.
LöschenBei dem anderen Punkt stimme ich dir ebenfalls zu. Durch diese Aussagen wird man natürlich erst recht dazu angeregt nachzudenken und sich vielleicht zu positionieren, aber stellenweise war es schon sehr pro Selbstjustiz, weil es Justiz und Polizei eh nicht auf die Kette kriegen.
Liebe Grüße :)
Julia