Freitag, 20. Februar 2015

Rezension ~ Neunzehn Minuten


Titel: Neunzehn Minuten
Originaltitel: Nineteen Minutes
Autorin: Jodi Picoult
Seiten: 480
Verlag: Piper
Genre: Roman, Drama



Inhalt:
An einer amerikanischen Highschool findet ein Amoklauf statt, bei dem neun Menschen sterben. Der Täter, ein siebzehnjähriger Schüler, konnte mit zwei Flinten und zwei Pistolen ausgestattet gestellt werden. Neunzehn Minuten beschreibt, wie es zu dieser grausamen Tat kommen konnte, was Mobbing anrichten kann und wie die Betroffenen (Schüler, Täter, Eltern) damit umgehen.

Meine Meinung:
An Jodi Picoults Büchern mag ich, dass sie sich immer spezielle Themen aussucht. Bei ihr bekommt man keine Geschichte, die man schon tausend Mal gelesen hat. Mobbing ist weiter verbreitet als man denkt und mir thematisch näher, als vielleicht Kindesmissbrauch, weshalb ich das Buch unbedingt lesen wollte.

Ich muss sagen, es hat sehr lang gedauert bis ich wirklich in der Geschichte angekommen war. Anfangs haben mich die häufigen Perspektivenwechsel sehr gestört, weil ich manchmal wirklich nicht hinterher gekommen bin. Das lag zum Teil auch daran, dass die Absätze in dem Ebook nicht ganz so gut dargestellt wurden, aber es hätte meiner Meinung nach auch durch mehr als Absätze kenntlich gemacht werden können, etwa durch Symbole.

Außerdem hatte ich wahrscheinlich etwas falsche Erwartungen von dem Buch, was mich dann auch kurzzeitig gestört hat. Ich bin davon ausgegangen, dass der Amoklauf selbst stärker thematisiert wird, als es letztlich der Fall ist. Versteht mich nicht falsch, der Amoklauf ist natürlich ein großes Thema, nur dachte ich, dass die Tat selbst, diese neunzehn Minuten detaillierter beschrieben werden. Ich habe erwartet, dass wir vielleicht in den Kopf des Täters schauen, während er durch die Schule läuft, oder das wir, als Leser, mit den Schülern in einer Ecke des Klassenzimmers sitzen und beten, dass es bald vorbei sein möge.
Im Grunde geht es in dem Buch aber mehr um die Hintergründe der Tat. Was bringt einen Teenager dazu, schwer bewaffnet durch eine Schule zu laufen und auf alles zu schießen, was sich bewegt? Was hat er sich dabei gedacht und hat er überhaupt etwas gedacht? Außerdem geht es um die Folgen der Tat. Was passiert mit den Eltern des Täters? Was passiert mit den Opfern? Wie kann man so jemanden bestrafen?

Die Autorin schafft es meisterhaft den Leser zu einer eigenen Meinung zu bewegen, ohne dass man gezwungen wird. Es passiert einfach. Ich hab das Buch in einer kleinen Blog-Leserunde gelesen und festgestellt, dass man noch so sehr versuchen kann die Tat objektiv zu bewerten, es ist nicht möglich. Man diskutiert die Beweggründe, fragt sich unweigerlich wie man selbst reagieren würde und ob so etwas auch in seiner (ehemaligen) Schule möglich ist.

Die Perspektivenwechsel die mich so verwirrt haben, sind dennoch sehr wichtig. So betrachtet man den Amoklauf nicht nur aus einer Sicht, sondern aus vielen verschiedenen. Das macht es dem Leser möglich sich wirklich eine fundierte Meinung zu bilden, weil sie nicht einseitig durch zum Beispiel traumatisierte Mitschüler beschränkt oder beeinflusst wird.

Ebenfalls sehr gut hat mir gefallen, wie die Beweggründe für die Tat aufgedeckt werden. Sie waren furchtbar zu lesen und ich musste stellenweise die Lektüre von mir aus unterbrechen (was wirklich selten vorkommt), weil ich es so entsetzlich fand. Am Ende war mir der Amokläufer tatsächlich am sympathischsten, obwohl ich die Tat selbst schrecklich finde und nach wie vor nicht gut finde.

Als es dann an die Gerichtsverhandlung ging, war ich endgültig in der Geschichte angekommen. Hier wurde es wirklich spannend, weil Dinge aufgedeckt wurden, die man auf den ersten Blick nicht erwartet. Außerdem waren die Aussagen der Psychologen sehr interessant, wenn auch völlig unterschiedlich. Hier bekommt man dann einen spannenden Einblick in die psychologische Erklärung des Amoklaufs.

Das Ende (ich nenne es mal Epilog), fand ich nicht ganz so gelungen, weil es für mich ein bisschen… unpassend war. Es war weder besonders kitschig, noch besonders beschönigend oder besonders positiv, aber einfach… überflüssig. Vielleicht ist das ein gutes Wort: überflüssig.

Fazit:
Nach einer langen Einstiegsphase die mir das Buch schwer gemacht hat, war es wirklich toll. Das Thema ist leider immer wieder aktuell, da es überall Mobbing gibt. Hier werden viele Charaktere beleuchtet, die auf die ein oder andere Art davon betroffen waren, sei es als Täter oder Opfer. Der Leser bildet sich ganz automatisch eine eigene Meinung, ohne das man sich gedrängt fühlt.

4/5 Punkten

16 Kommentare:

  1. Huhu Julia,
    ich mag Picoult auch genau wegen ihrer Themen, die sie immer wieder anschneidet. Sie bespricht auch Tabuthemen und damit gehen die Bücher meistens auch ans Herz, finde ich zumindest.

    Seit Winnenden interessiere ich mich total für Amokläufe und deren Hintergründe. Daher ist dieses Buch auf jeden Fall ein Must Have. Hab das Buch ja schonmal gelesen und es jetzt wieder auf meinen SuB verbannt, damit ich es irgendwann nochmals lese, weil es mir ging wie dir. Das Buch fesselt einen voll und ganz, wenn man mal in der Thematik drin ist.

    Auf jeden Fall eine schöne und ausdrucksstarke Rezi, danke dafür

    Viele allerliebste Grüße
    Nelly <3

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    1. Hey Nelly,

      wenn man einmal drin ist (was bei mir ja leider sehr lang gedauert hat) ist es wirklich ein tolles Buch. Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Spaß beim rereaden :)

      Danke dir.
      Ein schönes Wochenende,
      Julia

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  2. Spannend, dass du ganz etwas anderes erwartet hast, also eben, dass man viel mehr vom Amoklauf erfahren würde. Für mich war schon nach dem Lesen des Klappentextes klar, dass es vor allem um die Folgen gehen würde, die diese 19 Minuten nach sich ziehen.
    Mich fasziniert es immer wieder, wie unterschiedlich man an ein Buch heran geht.
    Aber schön, dass es dir doch noch gefallen hat.

    Liebe Grüsse und man liest sich
    Livia

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    1. Hallo Livia,

      ich habe das ebook gelesen und da war als Beschreibung nur ein Teil aus der Gerichtsverhandlung. Also die Stelle wo es heißt: "In Neunzehn Minuten kann man das Gras in seinem Vorgarten mähen, die Haare färben oder einen Kuchen backen..." Es stört mich ja auch absolut nicht, dass es um die Folgen der 19 Minuten geht, das ist ja durchaus spannend. Aber selbst dafür waren für mich exakt diese 19 Minuten zu kurz.

      Ein schönes Wochenende,
      Julia

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  3. Ich kann mir vorstellen, dass, wenn wir im Buch aus Peters Sicht oder aus der Sicht der Beteiligten beim Amoklauf dabei gewesen wären, eine Wahnsinnspannung geherrscht hätte. Das wäre bestimmt unglaublich fesselnd gewesen. Aber auch ich bin gar nicht mit so einer Erwartungshaltung dran gegangen, ich glaub, deshalb war ich schon recht früh so begeistert davon. ;)

    Ich weiß ja noch nicht, wie andere Werke von Picoult sind, aber ist es da auch so, dass man automatisch 'gedrängt' wird Partei zu ergreifen bzw. sich eine Meinung zu bilden?

    Ich warte auch schon ganz gespannt auf die Rezensionen der anderen beiden. Übrigens hat Jana ihre Bewertung jetzt auf 4 Sterne ausgebessert.^^ - Also wahrscheinlich doch verdrückt...^^

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    1. Ich fand es zumindest bei "Die Macht des Zweifels" auch so, dass man ganz automatisch eine bestimmte Haltung annimmt. Aber das gerade finde ich einfach klasse. Wie es bei dem anderen Buch war, weiß ich gar nicht mehr so genau. Ist schon ewig her, dass ich das gelesen habe und ich glaube, ich fand das langweilig. Aber ich habe die Vermutung, dass ich einfach zu jung war um das zu verstehen.

      Ich habs gesehen, ja. Entweder das, oder "Gruppenzwang" :D ;)

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  4. Hey Julia,

    so, ich hab´s endlich mal wieder geschafft, bei dir vorbeizuschauen:D Jedenfalls hattest du mich mit deinem Kommentar neugierig gemacht und das Thema Amoklauf finde ich irgendwie echt faszinierend..was in dem Kopf von so einem Menschen vorgehen muss O.O Deine Rezi klingt sehr vielversprechend und mal schauen, vielleicht läuft mir das Buch in der Bücherei mal über den Weg;) Allerdings bin ich nicht gerade so der Fan von zähen Anfängen unbefriedigenden Eden :/

    LG und ein stressfreies Wochenende:)
    Anne

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    1. Hey Anne,

      wir haben das Buch ja zu viert in einer kleinen LR gelesen und es ging bloß zwei Leuten am Anfang so ;) Also lass dich davon nicht abschrecken, bei mir waren es vermutlich echt etwas andere Erwartungen.
      Das Ende ist gar nicht unbefriedigend, es bleibt ja nichts offen. Es ist bloß so... keine Ahnung. Lies selbst. ;)

      Beste Grüße!

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  5. Du, Julia, darf ich deine Rezension hier im Bloggernetzwerk verlinken? :)
    https://bloggervernetzt.wordpress.com/an-blogger/

    Lieben Gruß ♥

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    1. Sophie hat mich auch schon gefragt ob ihr meine Rezensionen verlinken dürft. Ich hab ihr gesagt ich schau mir die Seite jetzt mal am Wochenende an und sag dann Bescheid. Neben der Arbeit hatte ich da echt keine Zeit für.

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    2. Ich hab Sophie auch schon mein okay gegeben, aber ich weiß nicht ob sie es liest, daher hier auch nochmal das okay für meine Rezensionen ;) Danke für euer Interesse :)

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    3. Danke Julia! Ich schau mal, was ich von dir schon so verlinken kann, außer 19 Minuten. ;)

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  6. Klingt gut, kommt auf meinen Wunschzettel! :D

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  7. Guten morgen,
    wie ich sehe, haben wir viele gemeinsame Bücher. Auch das habe ich gelesen und stimme Deiner Meinung voll zu.
    Liebe Grüße
    Anja vom kleinen Bücherzimmer

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