Autorin: Anne C. Voorhoeve
Seiten: 286
Verlag: Ravensburger
Genre: Jugendbuch, deutsche Geschichte
Inhalt:
1988. Die dreizehnjährige Lilly hat ihren Rucksack gepackt. Das Ziel ihrer Reise ist klar. Sie will nach Jena in die DDR. Dort nämlich lebt ihre wunderbare Tante Lena mit ihrem Mann und ihren Kindern - die einzige Familie, die Lilly nach dem Tod ihrer Mutter noch bleibt. Doch mal eben von West nach Ost, das funktioniert nicht einfach so. Da gilt es nicht nur, die Mauern der Bürokratie zu durchbrechen, sondern auch gegen die Schatten der Vergangenheit, die das Leben ihrer Familie im Osten bestimmen, anzukommen. Aber Lilly lässt sich nicht abschrecken und erobert eine neue Welt für sich. (Klappentext)
Meine Meinung:
Dieses Buch liegt schon ewig auf meinem SUB, ich habe es nie gelesen, weil mich die DDR thematisch so gar nicht interessiert. Für eine Challenge habe ich es jetzt gelesen und ärgere mich ein bisschen, dass ich es nicht mal früher gelesen habe. Als Teenager hätte mir das Buch sicher noch ein bisschen besser gefallen.
Das Buch beginnt mit der erwachsenen Lilly, die auf dem Sommerfest ihrer neuen Arbeitsstelle allein an der Bar sitzt. Sie fühlt sich unwohl, weil sie neu und noch dazu total overdressed ist und möchte am liebsten verschwinden. Doch dann setzt sich Gregor, ein Doktor der Archäologie, zu ihr und die beiden kommen ins Gespräch und Lilly erzählt ihm ihre Geschichte. Diese erfährt der Leser Stück für Stück auf den nächsten 280 Seiten.
Am Anfang hatte ich für wenige Seiten Probleme die Zeitebenen auseinanderzuhalten, da Lilly von ihrer Mutter erzählt und sie dann natürlich auch "Mutter" oder "Mami" nennt, andererseits befindet sich der Leser aber ab einem gewissen Zeitpunkt in der Geschichte und es wird von der Mutter als "Rita" gesprochen. Die Geschichte wird dann nicht mehr von Lilly Gregor erzählt, sondern man erlebt mit Lilly ihre Flucht in die DDR. Die Verständnisprobleme lösen sich aber wirklich sehr schnell auf, es war nur eine leichte Irritation zu Beginn.
Lilly ist als Charakter sehr sympathisch, wenn auch furchtbar naiv. An einigen Stellen war es mir fast ein bisschen zu viel, andererseits wird dadurch auch sehr deutlich, welche großen Unterschiede teilweise zwischen der DDR und der BRD herrschten und das die Wahrnehmung auf der jeweils anderen Seite der Mauer stark durch die Medien und den Staat beeinflusst wurden. Beispielsweise steht Lilly mit ihrer Tante Lena vor einem Konsum an um Lebensmittel einzukaufen. Kurz vor Ladenschluss kommen die beiden tatsächlich noch an die Reihe und während Lena und die Verkäuferin sich kurz unterhalten, holt letztere eine rote Flasche hinter dem Tresen hervor und steckt sie Lena heimlich in die Tasche, während sie den Preis für die Flasche in die Kasse tippt. Lilly beobachtet alles und möchte empört dazwischen schreiten, weil sie denkt die Verkäuferin jubelt ihrer Tante etwas unter, das sie nicht haben möchte und lässt sie dafür auch noch bezahlen. Glücklicherweise kann Lena Lilly stoppen und erklärt ihr dann auf der Straße fröhlich, dass es zur Feier des Tages Pommes geben wird, da die Verkäuferin ihr Ketchup zugesteckt hat. Erst da erkennt Lilly, dass viele Sachen unter dem Ladentisch gehandelt werden, wenn man Kontakte hat.
Am besten gefallen hat mir Till, Lillys Cousin. Er ist der einzige, der sich über Lillys Auftauchen restlos zu freuen scheint. Seine gute Laune ist ansteckend und er zeigt Lilly mit Begeisterung ein wenig von Jena.
Insgesamt waren aber alle Figuren in "Lilly unter den Linden" sehr authentisch und interessant. Einzig Gregor ist vielleicht ein bisschen blass geblieben, was aber auch daran liegt, dass er nur kurz auftaucht und der Auslöser für Lillys Erzählung ist.
Sehr gut gefallen hat mir auch die Beschreibung der ganzen geschichtlichen Sachen. Die Unterschiede zwischen der BRD und der DDR, habe ich schon angesprochen, aber auch die Situation in der DDR war sehr gut und vor allem verständlich dargestellt. Lilly wundert sich beispielsweise, dass überall Spruchbänder und Flyer mit sozialistischen Parolen hängen, macht sich sogar Gedanken darüber, dass darin indirekt zum Kampf gegen den Westen aufgerufen werden könnte und es Krieg geben wird. Durch Freundinnen ihrer Cousine Katrin erfährt sie dann, dass eigentlich niemand mehr nach den Spruchbändern schaut. Auch gut gefallen hat mir der kurze Ausblick den die Autorin am Ende des Buches gibt, das heißt was nach der Wende im Osten passierte, wie beispielsweise die Arbeitslosigkeit und das Sterben der Industrie. Ebenso wird deutlich gemacht, dass in der DDR nicht alles schlecht war und einige Dinge in die BRD hätten übernommen werden können oder sollen. Beides wurde gut in die Geschichte eingebettet, sodass es nicht den Anschein hatte als müssten diese Informationen einfach der Vollständigkeit halber gegeben werden.
Fazit:
Für jüngere Leser ein durchaus interessantes und informatives Buch über ein Mädchen, dass nur zu ihrer Familie in die DDR möchte. Die Situation in der DDR und die Unterschiede zur BRD werden verständlich und spannend dargestellt, sodass dieser Roman keinen Lehrbuchcharakter hat. Um jungen Leuten das Thema der Zweiteilung Deutschlands näher zu bringen, ist dieses Buch auf jeden Fall geeignet.
4/5 Punkte
Huhu Julia! :)
AntwortenLöschenKlingt ja erstmal nach so einem typischen Buch, das man mal im Deutschunterricht lesen musste. Aber ich finde es total interessant, dass das mit der DDR hier mal aus einer anderen Sicht erzählt wird. Sonst hört man ja eigentlich nur von Menschen, die aus der DDR raus wollten.
Also wenn ich mal was für meine Bildung tun möchte, scheint dieses Buch eine angenehme Variante zu sein :D Der Allgemeinbildung kann sowas jedenfalls nicht schaden ... und wenn man dabei sogar noch Lesevergnügen hat ... was will man mehr :D
Ganz liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
Sarah von LeseBonbons
Hallo Sarah,
Löschenich musste so etwas nicht in Deutsch lesen. Leider. Wäre vielleicht ganz interessant gewesen. Genau den Aspekt fand ich auch sehr interessant, allerdings wollte Lilly ja nur dorthin weil dort ihre einzigen Verwandten leben und nicht, weil sie von dem System überzeugt ist.
Ach na ja, das Buch ersetzt sicher kein Geschichtsbuch, aber das ein oder andere erfährt man schon über die DDR.
Dir auch ein schönes Wochenende,
Julia